Elvira Susse

Es gibt einen weit verbreiteten Mythos unter Männern, dass Sex mit einer Escortdame nur etwas Mechanisches und Lebloses sei. Viele Männer behaupten, sie würden niemals eine Sexarbeiterin aufsuchen, weil sie „nicht so“ seien. Mit diesem Satz drücken sie ihre Verachtung gegenüber den Männern aus, die ihrer Meinung nach dazu verdammt sind, leblosen, künstlichen Sex von trickreichen Huren zu konsumieren, die sie nur als Marionetten benutzen, weil sie aufgrund ihrer zahlreichen Mängel keine Freundin finden können.

Es ist meine Aufgabe, diesen Mythos zu zerstreuen, denn ich bin eine geborene Schlampe.

Vor langer Zeit lehrte der ukrainische Philosoph Gregor Skovoroda, dass man Glück erlangen kann, wenn man seine natürliche Berufung findet. In Anlehnung an Sokrates ermutigte er seine Schüler, selbst zu lernen, ihre wahre Berufung und die Leidenschaft zu finden, die sie durchs Leben führen würde. Diese motivierende Kraft kann im Laufe des Lebens verschiedene Formen annehmen, doch sie hält einen im Flow, macht einen Tag und Nacht konzentriert und begeistert und gibt einem ein Gefühl von Sinnhaftigkeit.

Das ist für mich Sexarbeit.

Ich erwarte nicht, dass du mein Wort für bare Münze nimmst, es ist mir auch egal. Ich habe einfach das Gefühl, ich sollte meine Dankbarkeit dafür ausdrücken, dass ich meinen Platz gefunden habe – zumindest für eine Weile. Früher war es Kunst, und die Zukunft ist ungewiss, aber jetzt bin ich hier, um deine Lust zu stillen. Trotz aller Schwierigkeiten, die dieser Beruf mit sich bringt, all der Stigmata und Stereotypen, habe ich festgestellt, dass es eine ehrenvolle Aufgabe ist, Menschen zu dienen. Ich helfe ihnen, ihre wahren Träume zu verwirklichen, ich lasse sie tun, wonach sie sich ihr ganzes Leben lang heimlich gesehnt haben. In entspannter und freundlicher Atmosphäre lade ich das innere Kind meines Partners ein, mit meinem zu spielen. Meine größte Freude ist es, dieses echte, reine, ehrliche Erlebnis zu erleben, wenn alle Masken fallen und nur eine nackte, vor Erregung pulsierende Seele übrig bleibt. Dies ist der Moment, pures Glück zu teilen, ohne Tabus oder soziale Hierarchie. Es ist wie eine Psychotherapie: Meine Klienten fühlen sich mit ihren Wünschen nicht unwohl und unzulänglich. Es ist ein stärkender Prozess, der ihnen einen Weg zur Versöhnung bietet – von destruktiv zu produktiv. Das ist letztlich auch sozial vorteilhaft, denn ich biete denjenigen, die meinen Tribut entrichten, einen sicheren Spielplatz zwischen meinen Schenkeln. Ich gebe ihnen die Möglichkeit, mit all ihren wildesten Wünschen Frieden zu finden, was meinen Spielkameraden hilft, gesünder und geistig gesünder zu werden.
Wenn sie Intimität erleben möchten, bin ich ihre Freundin.
Wenn sie ihre Dominanz ausleben möchten, bin ich ihr unterwürfiges Spielzeug.
Wenn sie die Kontrolle völlig abgeben wollen, bin ich ihre verspielte Herrin.
Wenn eine Gruppe den Zusammenhalt sucht, stehe ich gern im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit.
Doch durch den Austausch der Lust sind wir nicht nur gleich, wir sind eins, wir sind Teil von allem, Partikel prähistorischen Sternenstaubs. Was kann schöner sein als das? Es ist eine wahrhaft sakrale Erfahrung.

Glücklicherweise existiert Sexarbeit und sie wird auch trotz der öffentlichen Meinung immer existieren – nicht, weil Männer dazu verdammt sind, sie zu konsumieren, sondern weil es ein menschliches Grundbedürfnis ist, die eigenen inneren Wünsche zu erforschen, und die willige Schlampe dabei eine wesentliche soziale Rolle spielt. Man wird es immer wollen, ob es nun akzeptabel ist oder nicht. Ohne die Möglichkeit, die missverstandenen Aspekte der eigenen Psyche zu versöhnen, ist man wie ein Affe mit einer Granate.
Wenn nichts anderes hilft, kann ich ihren Drang, den Stift zu ziehen, zumindest neutralisieren.